Geld oder Fairneß – Sind wir rationale Wesen?
Stellen Sie sich vor, Sie nehmen gemeinsam mit einer anderen Versuchsperson an einem Experiment teil. Der andere Teilnehmer erhält 100 €, die er untereinander aufteilen soll. Wenn Sie die Aufteilung akzeptieren, erhalten beide Spieler ihren Betrag. Wenn Sie die Aufteilung hingegen verweigern, gehen beide Seiten leer aus und bekommen gar nichts.
Laut mikroökonomischer Theorie mit dem homo oeconomicus müsste der Geber den geringstmöglichen Betrag anbieten, um seinen Gewinn zu maximieren. Und Sie müssten, wenn Sie ein ausschließlich rational handelnder Mensch sind, mit jedem angebotenen Betrag einverstanden sein, da ihr Gewinn dadurch steigt. So viel zur Theorie. Ab welchem Betrag würden Sie den Handel scheitern lassen – 49, 40, 30, 20 oder erst bei 10 €?
Das „Ultimatums-Spiel“ stammt aus der Spieltheorie und wurde weltweit in Hunderten von Experimenten gespielt. Ergebnisse:
- In der Praxis zahlen 2/3 der Geber 40-50 % des Betrages. Nur 4 % bieten weniger als 20 % an. Die Mehrheit verhält sich also kooperativ.
- Über die Hälfte der Nehmer weisen Angebote unter 20 % zurück. Hier spielt die wahrgenommene Fairness die entscheidende Rolle.
Diese Befunde gelten weltweit, unabhängig von Geschlecht, Alter, Bildungsstand und Höhe des Betrags. So wurden in Indonesien Beträge verwendet, die das Dreifache des monatlichen Durchschnittseinkommens ausmachten. Eine Ausnahme gab es allerdings: Ein Stamm in Neu-Guinea verhielt sich anders – viele Stammesmitglieder boten mehr als die Hälfte des Betrages an, was häufig abgelehnt wurde. Begründung: Aus dem großzügigen Geschenk erwächst die Verpflichtung zu einer noch höheren Gegenleistung. Dieses Prinzip der Gegenseitigkeit (Reziprozität) ist auch in Japan weit verbreitet („giri-giri“). Wird die Rolle des Gebers jedoch von einem Computer übernommen, verhalten sich die Nehmer rationaler und akzeptierten auch niedrigere Anteile, da sie dem Computer keine böse Absicht unterstellten.
Fazit: Menschen sind längst nicht so rational in ihren Entscheidungen, wie uns die Wirtschaftswissenschaften Glauben machen wollen. Das Gefühl, fair behandelt zu werden kann uns in einem Handel wichtiger als ein Gewinn sein – Fairneß sticht also Geld!
Aus: Beziehungsmanagement – Feste Verbindungen zum Kunden schaffen