– Vom Umgang mit Pegida und anderen Zweiflern, Sturköpfen und Nörglern
Wie sollen wir mit Opponenten umgehen, d.h. mit Menschen, die anderer Meinung sind als wir? Am Beispiel Pegida lässt sich sehen, wie schwer wir uns mit der Antwort auf diese Frage tun. Einige Politiker wie der SPD-Chef Sigmar Gabriel zeigen Gesprächsbereitschaft mit den Demonstranten , andere wie Grünen-Chef Cem Özdemir lehnen einen Dialog kategorisch ab.
Der Rhetoriker schaut sich zunächst an, bei wem er Überzeugungsarbeit leisten will. Denn: Nicht jeder kann dazu gebracht werden, seinen Standpunkt gegen unseren zu tauschen: z.B. Gotteskrieger oder deren Pendent, evangelikale Christen, Verschwörungstheoretiker, Apokalyptiker, Anarchisten, rote oder – wie auch bei Pegida gut vertreten – braune Betonköpfe.
Für den Umgang mit moderaten Skeptikern, bei denen noch nicht Hopfen und Malz verloren ist, gilt: Genau wie es nach dem Ying-Yang-Prinzip immer zwei Seiten einer Medaille gibt, existiert zu jedem Standpunkt auch ein Gegenstandpunkt. Meist bombardieren wir die Gegenseite jedoch mit Argumenten, um sie von unserer Meinung zu überzeugen – aber ohne selbst geistig in Bewegung zu kommen: Wir bleiben bei unserem Standpunkt und verteidigen eingefahrene Spuren. Das Problem der Polarität von Meinungen lässt sich nicht durch einseitige Meinungsschlachten lösen, wie sie in Talkshows oder Meetings üblich sind.
Was tun? Einen Sachverhalt von zwei Perspektiven aus zu betrachten nennt sich „Zweiseitige Argumentation„. Dazu zählt u.a. die Technik der „Bedingten Zustimmung„: Wir können die Sichtweise des Gegenübers verstehen oder zumindest nachvollziehen – ohne unsere eigene Überzeugung aufzugeben. Bei welchen Themen wir für die andere Seite Verständnis aufbringen und bei welchen nicht, entscheiden wir ganz allein.
Grundprinzip der Bedingten Zustimmung: Zu einem konträren Standpunkt des Gesprächspartners diplomatisch und beziehungsorientiert Stellung beziehen. Statt direkt zu widersprechen (nein, falsch, aber, ja, aber, dennoch, allerdings, jedoch, trotzdem, nichtsdestotrotz, nur, bloß, doch etc.) Verständnis für den Standpunkt zeigen und gleichzeitig die eigene Position darstellen (hart in der Sache, weich zum Menschen).
Am Beispiel von Pegida kann das folgendermaßen aussehen:
1. Auf die Sichtweise des Gegenübers eingehen („Yin“):
- Ich verstehe, dass Sie sich von den Behörden schlecht behandelt fühlen.
- Ich kann nachvollziehen, dass Sie sich wegen der Straßenschlachten zwischen Kurden und Salafisten und der selbsternannten Scharia-Polizei in Wuppertal Sorgen machen.
- Ich respektiere Ihre Meinung, auch wenn ich sie nicht teile.
- Ich nehme Ihre Bedenken ernst, dass Sie den islamistischen Terror in Paris und Belgien als Bedrohung wahrnehmen.
- In vielen Fällen ist es zutreffend, dass Asylsuchende, deren Antrag abgelehnt wurde, sich weiterhin in Deutschland aufhalten.
- Ich sehe ein, dass Politiker-Zitate wie „Pegida ist eine Schande für Deutschland“ der Sache nicht gerecht werden.
2. Die eigene Sichtweise darstellen („Yang“):
- Haben Sie auch bedacht, dass jede Politik und Religion eine extremistische Seite hat? Das gilt ebenso für das Christentum wie auch für den Islam.
- Andererseits: Ich diffamiere eine Bewegung nicht, nur weil ich ihr widerspreche.
- Zum anderen: Pegida ist nicht islamkritisch, sondern islamfeindlich. Darüber hinaus würgen Parolen wie „Lügenpresse“ jeglichen Dialog von vornherein ab.
- Auf der anderen Seite: Viele denken, Demokratie ist ein Unternehmen, das zu liefern hat. Und wenn es nicht liefert, wird eben gekündigt. So kommen wir nicht weiter.
- Bitte verstehen Sie auch, dass ich es heuchlerisch finde, dass ausgerechnet ein Mann mit einer kriminellen Vergangenheit gegen kriminelle Ausländer wettert.
- Zugleich stört es mich, dass Pegida den Leitspruch der DDR-Bürgerrechtsbewegung – „Wir sind das Volk“ – für sich beansprucht und somit missbraucht. Drei Viertel der Deutschen lehnen Pegida laut einer Studie ab.
Wenn sie glaubt, 25.000 Menschen sprächen für 80 Millionen Deutsche, dann irrt sie sich. - Gleichzeitig ist es mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass uns Demokratie- und Ausländerfeindlichkeit sowie ein unbegründeter Hass auf die Politik nicht weiter bringen.
- Tatsache ist: Politik wird in Deutschland von demokratischen Parteien gemacht, nicht von selbst ernannten Vereinen. Der Pegida-Verein bringt nur 25.000 Demonstranten aus ganz Deutschland zusammen und glaubt, damit vertrete er „das Volk“ gegen „die Politik“. Die DKP hat vor 1989 im Westen mehr Menschen auf die Straße gebracht und wurde ignoriert.
- Fakt ist: Pegida will nicht reden, diskutieren oder verhandeln. Pegida will recht bekommen.
- Die Erfahrung zeigt, dass wir diese Konflikte erst dann lösen können, wenn wir wieder ins Gespräch kommen.